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Interview mit Frederico Martin Ventura Wollny, Gründer des deutsch-brasilianisches Wirtschaftsnetzwerks DBUN

Frederico Martin Ventura Wollny ist ein brasilianischer Geschäftsmann, der als Vermittler zwischen Deutschland und Brasilien im Bereich Industrie, Wirtschaft, Politik und öffentliche Meinungsbildung fungiert. Fred, wie er genannt wird, kommt mit seiner charismatischen Persönlichkeit sehr gut in der deutschen und brasilianischen Gemeinschaft an.

Als Gründer des deutsch-brasilianisches Wirtschaftsnetzwerks DBUN bietet er einen politischen Vermittlungsdienst namens A Ponte “Die Brücke” an. Dieser ermöglicht den Zugang zu deutschen Geschäftsleuten und Politikern in Brasilien.

Wir sprachen mit Fred während einer Veranstaltung, die in der brasilianischen Botschaft in Berlin stattfand, über die Internationalisierung brasilianischer Unternehmen auf dem deutschen Markt.

01. Wie sehen Sie das aktuelle Szenario für den Handel zwischen Brasilien und Deutschland unter der neuen brasilianischen Regierung?

Ich sehe das Handelsszenario zwischen Brasilien und Deutschland sehr positiv, nicht nur für den Handel, sondern auch für die bilateralen Beziehungen insgesamt. Dies ist eindeutig auf die Wahl der neuen Regierung zurückzuführen, die sich an den Präferenzen der politischen und meinungsbildenden Gemeinschaft in Deutschland orientiert.

Die Erwartung Deutschlands in Bezug auf die Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehungen zu Brasilien wuchs durch sehr klare Positionen der brasilianischen Regierung.

Diese Positionen zugunsten der neu gewählten Regierung stimmten mit den Erwartungen der deutschen Regierung an Brasilien überein. Es war jedoch äußerst positiv zu sehen, wie ein Realitätsschock sowohl die Politik als auch die Industrie und den Handel beeindruckte und beeinflusste.

Die Deutschen haben erkannt, dass es nicht nur um moralische und politische Gründe geht, stärker präsent zu sein, sondern auch die ganze Vergangenheit zu berücksichtigen ist. Deutschland hat Brasilien in den letzten dreißig, vierzig Jahren zu Gunsten anderer aufstrebender Volkswirtschaften und Industrien nicht ausreichend Beachtung geschenkt und erkennt nun, dass dies nicht die beste Entscheidung war.

Deutschland hätte aufgrund der langjährigen Geschichte der kulturellen, politischen und vor allem industriellen Freundschaft zu Brasilien weiterhin besondere Beachtung schenken sollen, was von vielen nicht ausreichend gewürdigt wird.

Die Position der neuen brasilianischen Regierung in Bezug auf die Beziehungen zu Deutschland ist in meinen Augen großartig. Vor der Unterzeichnung des Mercosur-Abkommens wird nichts passieren. Deutschland braucht in Bezug auf erneuerbare Energien nicht belehrend mit Brasilien umzugehen, da Brasilien bereits mehr als 2/3 seines Energiebedarfs aus natürlichen Ressourcen bezieht – und dieser Anteil steigt schnell. Das hat die deutsche Politik in den letzten Jahren vernachlässigt. Das Abkommen war schon zu Beginn der Vorgängerregierung fertig und aus rein moralischen Gründen wollte man dieses Abkommen nicht unterzeichnen.

Diese moralische Dimension wurde mir von allen politischen Führungen aller Parteien, mit denen ich gesprochen habe, bestätigt. Es handelt sich also nicht um eine persönliche Meinung, sondern um eine feststehende Tatsache.

02. Welche Sektoren sind in Ihrer täglichen Arbeit von den Deutschen für Investitionen in Brasilien am meisten nachgefragt worden? Wie hat sich diese Investitionsbeziehung für beide Märkte ausgewirkt?

In den letzten Jahren wurde ich aus den im vorigen Punkt genannten Gründen nicht auf Investitionen in Brasilien angesprochen. Beeindruckend ist jedoch, dass dem Regierungswechsel Anfang des Jahres die Zahl der Geschäftsleute, Industriellen, Politiker und Neugierigen, die sich über die Möglichkeit von Investitionen informieren wollen, insbesondere im Bereich der in Mode gekommenen grünen Energie, stark zugenommen hat. Aber das sind nur Gespräche, nichts Konkretes. Das wird sich in den nächsten Monaten und Jahren ändern.

Trotz der mangelnden Wertschätzung der Beziehungen Deutschlands und Brasiliens in den letzten Jahrzehnten, wie in der vorhergehenden Frage erwähnt, sind diese für beide Seiten von Vorteil..

Wir wissen, dass die deutsche Industrieproduktion in Brasilien, das heißt die deutschen Tochtergesellschaften mit Produktion in Brasilien, 10 bis 12 % des brasilianischen BIP ausmachen. Sie beschäftigen schätzungsweise 600.000 Menschen, allein in São Paulo fast 300.000. Man kann sich vorstellen, wie abhängig die deutsche Wirtschaft von der Industrieproduktion in Brasilien und natürlich auch von Brasilien ist. Es ist also eine Beziehung, von der beide Märkte profitieren. Leider ist sie dekadent. Aber nicht wegen der Beziehung zwischen den beiden Ländern, sondern viel mehr wegen der Deindustrialisierung der brasilianischen Wirtschaft, die immense Risiken für den sozialen Wohlstand mit sich bringt.

03. Die Themen Energie, Umwelt und Lebensmittelsicherheit gehören zu den wichtigsten deutschen Investitionsplänen für die Zukunft. Ist Brasilien Ihrer Meinung nach bereit, die Anforderungen dieser Investitionen zu erfüllen?

Ja, Brasilien ist auf alles vorbereitet, denn Brasilien hat alles. Deutschland hängt viel mehr von Brasilien ab als Brasilien von Deutschland. Es ist an der Zeit, dass sie das erkennen.

Brasilien, reich an natürlichen Ressourcen, ernährt einen Großteil der Welt. Was wirklich

fehlt, ist eine straffere Struktur. Der Engpass in der brasilianischen Produktionsleistung erlaubt kein besseres Ergebnis. Ansonsten hat das Land alles. Aber durch den Prozess der Deindustrialisierung verliert das Land den Kontakt zu seinen eigenen technologischen Innovationen sowie zu Innovationen, die aus anderen Ländern nach Brasilien transferiert werden.

Brasilien hat derzeit keine entwickelte industrielle Struktur, was auch die Motivation für technologische Innovationen und den Bedarf an Technologietransfers einschränkt – das sind die Herausforderungen. Trotzdem verfügt das Land über die Kapazität, jeden Investitionsbedarf problemlos zu erfüllen, vorausgesetzt, es schafft die richtigen Rahmenbedingungen, um die gewünschten Ergebnisse für Investoren zu erzielen.

04. Sie sind auch der Vertreter der Gemeinde Hombergs (Efze) und einer der Verantwortlichen für das Festival, das im Jahr 2024 den 500. Jahrestag von Hans Stadens feiert, dem Deutschen, der Brasilien zur Zeit der Entdeckung entdeckte und der viele Geschichten über die großen Abenteuer, die er dort erlebte, zu erzählen hatte. Geben Sie uns einen Einblick in den Ablauf der Veranstaltung und in die Art der Attraktionen und Aktionen, die für das Publikum geplant sind.

Ja. Ich bin der Sonderebeauftragte der Gemeinde Homberg Efze und einer der Verantwortlichen für die Organisation des Festivals, mit dem der 500. Geburtstag von Hans Stadens gefeiert wird. Wir, die Mitarbeiter der Stadt und ich persönlich, haben viele Ideen. Allerdings haben wir noch kein festes Programm definiert.

Sicher ist, dass die Veranstaltung zwischen Ende März und Ende September 2024 stattfinden wird. Mit einem Höhepunkt im Monat Juni, wo es auch politische Feierlichkeiten geben wird. Unser Ziel ist es, ein möglichst breites kulturelles, künstlerisches und sportliches Programm anzubieten.

Wir träumen davon, ein Fußballspiel zwischen einer Mannschaft aus ehemaligen brasilianischen Bundesligaspielern und der Homberger Fußballmannschaft zu veranstalten. Zudem wollen wir ein Rockkonzert, klassischen Samba, Capoeira und typisch brasilianische Tänze aufführen. Auch der Film Hans Staden, der in den neunziger Jahren in Brasilien gedreht wurde, wird auf einer Großleinwand auf einem öffentlichen Platz gezeigt werden. Ergänzend dazu sollen ebenso politische Aktionen stattfinden.

Die Stadt Homberg möchte eine Städtepartnerschaft mit einer brasilianischen Stadt eingehen, über die wir derzeit verhandeln. Es soll ein Ereignis sein, das nicht nur den 500. Geburtstag von Hans Staden feiert, sondern viel mehr die Beziehungen zwischen Brasilien und Deutschland, die von Anfang an sehr historisch, traditionell und intensiv waren. Nicht viele Menschen wissen, dass ein Deutscher für die Entdeckung Brasiliens mitverantwortlich war. Er war ein sehr erfahrener Seefahrer in der Flotte von Pedro Alvarez Cabral.

05. Über Ihr Unternehmen A Ponte “Die Brücke”. Was sind die wichtigsten laufenden Projekte und was werden wir 2023 Neues sehen?

Wir haben keine Projekte im eigentlichen Sinne, wir haben Aktionen. Das Hauptziel unserer Aktionen ist es, die brasilianische Politik in Deutschland zu fördern und vice versa.

Der politische Vermittlungsdienst A Ponte hat eine Reihe von kurzen und schnellen Interviews unter dem Titel „Die politischen Entscheidungsträger zwischen Deutschland und Brasilien“ erstellt, die über Dritte in den sozialen Medien in Deutschland verbreitet werden sollen.

Für diese Reihe wurden sowohl Wellington Dias, der Minister für Entwicklung,  Sozialhilfe, Familie und Hungerbekämpfung, als auch der Richter Sérgio Moro, der zum Senator der Republik gewählt wurde, sowie die Ex-Präsidenten Collor de Mello und Michel Temer interviewt. Beide Interviews werden bereits in den sozialen Medien verbreitet.

Außerdem ermöglichten wir eine interessante Veranstaltung, bei der Sergio Moro und Martin Wambach, der Chefermittler des Finanzskandals WireCard hier in Deutschland, in einer geschlossenen Veranstaltung ihre Erfahrungen austauschten. Die Veranstaltung war sehr erfolgreich und stieß auf großes Interesse.

Im März dieses Jahres vermittelten wir im Bandeirantes-Palast eine Gesprächsrunde zwischen einer Delegation von 25 deutschen Industriellen und Geschäftsleuten und Tarcísio de Freitas, dem Gouverneur des Bundesstaates São Paulo, und Paulo Guedes, dem ehemaligen Wirtschaftsminister Brasiliens. Dort haben sie um das Thema der Deindustrialisierung Brasiliens und die Risiken für die deutsche Industrie in Brasilien und damit für die deutsche Wirtschaft diskutiert.

Zusätzlich habe ich einige einzelne Projekte der politischen Förderung und Vermittlung, auf individueller Ebene, die ich im Moment nicht im Detail beschreiben möchte. Jedoch ist das Vorgehen immer identisch: Es sollen Politiker, Industrielle und Vertreter der brasilianischen Wirtschaft mit ihren Gesprächspartnern in Deutschland zusammengebracht werden. Nicht unbedingt mit Politikern, aber Politiker mit Industriellen, Industrielle mit Ökonomen, so dass in einem direkten, bilateralen und einflussreichen Kontakt die Beziehungen zwischen Brasilien und Deutschland gestärkt werden können.

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